Wolken kitzeln in Madeira - Und wie gehen wir mit Fragen um?

Madeira – Vom Mittelpunkt der Erde bis zum Wolkenkitzeln

… ungefähr so könnte man meine Tour beschreiben. Denn ich habe nicht nur Wolken gekitzelt, sondern auch den Erdmittelpunkt live gesehen. Madeira verfügt nämlich über einen ganz privaten Zugang zum Erdkern und das konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen.

Ich startete ganz in Ruhe und heute etwas später. Der Muskelkater sitzt mir doch tiefer in den Knochen als gedacht und auch der leichte Sonnenbrand benötigte etwas mehr Pflege. Kurzum, ich kam nicht aus dem Knick und überlegte lange was ich mit dem angebrochenen Tag machen sollte. Aberwitzig plante ich eine kleine Wanderung einzulegen, die kaum Höhenmeter hatte. Nur damit ich in Bewegung bliebe und sich der Muskelkater etwas verlaufen würde. Die Levada do Alecrim sollte es werden. Also hinein ins Auto und rauf aufs Plateau. Die Straße meines persönlichen Grauens ließ heute nichts aus und so musste ich zig mal dem Gegenverkehr ausweichen, mich zurück rollen lassen und Platz machen für die von oben Kommenden. Denn genau so ist es üblich und ist auch das einzige, was Sinn macht. Dazu aber nachher noch mehr.

Vom Paul da Serra ins Tal blicken ist nicht immer möglich

Wolken kitzeln auf dem Paul da Serra – Hochplateau

Auf dem Plateau angekommen ging es vorbei am Parkplatz der auch zu den 25 Fontes führte und irgendwie muss ich da wohl verschlafen haben, dass von dort in der Nähe auch die Levada do Alecrim beginnt. Ich fuhr also unbekümmert weiter und weiter… und weiter…

Das Hochplateau versank derweil im dichten Wolkennebel und mich musste fast ein wenig schmunzeln, wie das hier innerhalb weniger Minuten geht. Unten im Tal war noch strahlender Sonnenschein gewesen, hier oben, nur 30 Minuten später, eine einzige Nebelwand. Zugegeben, diese Fahrt war anstrengend, denn nicht nur der Nebel machte mir zu schaffen, sondern auch die zahlreichen Schlaglöcher, der wie aus dem nichts auftauchende Gegenverkehr und zu allem Übel gibt es auch hier unentspannte Drängler, die sehr gerne herausfinden möchten, was man im Kofferraum hat.

Die Kreuzung Fanal - Canhas

Nach Fanal?

Irgendwann tauchte im dichten Nebel eine Kreuzung vor mir auf. Ich hatte mittlerweile meine Pläne schon aufgegeben und entschied mich, mal zu sehen, wohin mich die Insel heute führen würde. Pläne sind sowieso nur etwas, worüber das Schicksal – oder in diesem Fall die Insel Madeira – lacht. Ich lies mich auf das Spiel ein und studierte die Schilder. Riberia Janela zu meiner Linken, Encumeda gerade aus und rechts ging es nach Fanal. – Moment, war in Fanal nicht der Lorbeerwald von dem ich bereits gelesen hatte? Ich zückte die Karte, auf der ich mir den Standort eingezeichnet hatte. Reichlich ungenau um ehrlich zu sein. Denn meine Markierung sagte mir: “Gerade aus!”

Klar ist eins:  Im Lorbeerwald landete ich nicht. Das steht also noch aus. Doch als ich mich endlich komplett von irgendwelchen Vorhaben löste und mich überraschen ließ, wo ich landen würde, – zugegeben, ich habe gerne einen Plan und deswegen war das wirklich schwierig – lief alles wie von alleine.

Fahrspaß beim Encumeada Pass

Der Encumeada – Pass

Wenig später erreichte ich den Encumeada Pass und lernte ziemlich schnell die bekannten Mini-Autowaschanlagen von Madeira kennen. Ich spreche von kleinen Wasserfällen, die genau auf sie Straße zielen und den darunter hinwegfahrenden Autos eine Gratis-Wäsche verpassen. Das erste Mal lachte ich laut los, als die dicken Wassertropfen auf die Scheibe platschten. Ich war mir sicher, die Insel wollte mir heute etwas zeigen.

Über atemberaubende Serpentinen, die direkt am meterhohen Abrund – ach was sag’ ich da! – kilometerhohen Abgrund entlang führten ging es bergab. Die Straßenränder waren gesäumt von den mir schon bekannten blauen und weißen Liebesblumen, die dicht am Berg wachsen. Hinweisschilder vor Steinschlag, Kühen und Steigungen begleiteten mich auf dem Weg ins Tal.

Zugegeben, einer der großen Vorteile des Alleine-Reisens ist: Man muss das Auto mit niemanden teilen! Und so konnte ich ganz ohne Verhandlungsgeschick oder gar einer Diskussion den Pass fahren, die Kurven genießen, anhalten wo immer ich wollte und dabei fröhlich vor mich hin grinsen. Dass sich die Wolken derweil in den Bergen verhingen und man kaum etwas von der “Aussicht” sehen konnte, war mir offen gesagt ziemlich egal. Ich hatte Spaß – Fahrspaß. Vermutlich hätte ich nie gedacht, dass man den mit einem Fiat Panda haben könnte, hätte ich es nicht selbst erlebt.

In der dichten Nebelwand entdeckte ich sogar die Windräder auf der Paul da Serra und nickte innerlich zustimmend. Logisch, dass der Wind hier oben nicht ungenutzt bleiben würde.

Trotz der gelungenen Fahrt, hatte ich mir vorgenommen doch noch etwas zu laufen, um endlich den Muskelkater in den Griff zu bekommen. Immerhin habe ich mir noch zwei Wanderungen vorgenommen, die ich gerne ohne Schmerzen bestreiten würde. Mir kam es also gerade gelegen, als ich bei der Talfahrt links am Straßenrand eines der Wanderschilder entdeckte. Kurzerhand hielt ich an.

Der PR 22 - Vereda do Chao dos Louros

Der PR 22 – Vereda Chao dos Louros

So landete ich auf dem kurzen Rundweg Vereda Chao dos Louros. Wenn mich nun jemand fragen würde, ob dieser Wanderweg empfehlenswert wäre, so würde ich vermutlich abraten. Denn viel Spannendes hat er objektiv nicht zu bieten. Subjektiv hingegen erlebte ich dort eine Menge. Denn während ich abwärts lief nahm ich nicht nur den leichten Geruch von Sandelholz-Räucherstäbchen wahr, sondern bemerkte auch, dass die Stimmen in der Nähe immer lauter wurden. Irgendetwas musste am Ende des Weges sein. Wohlgemerkt hörte ich keine vertrauten Touristenstimmen, sondern munteres Geplauder auf Portugiesisch.

Kaum trat ich aus dem Dickicht des Wanderweges fand ich mich auch schon in mitten eines Parks wieder, in dem zahlreiche Familien fröhlich grillten. Sonntags ist in Madeira wohl Picknick-Tag. Denn nicht nur im Park Chao dos Louros beobachtete ich, wie große und kleine Familien ihr Essen gemütlich verspeisten. Auch an den anderen zahlreichen Aussichtspunkte beobachtete ich das selbe Spiel. Diese Tradition gefällt mir auf Anhieb.

Blick auf Sao Vincente

Auf dem Rückweg zum Parkplatz konnte ich dann einen kleinen Blick auf Sao Vincente werfen, dass im Tal bereits auf meine Erkundung wartete. Vermutlich ist diese kleine Stelle auf dem Wanderweg der eigentlich, objektive Grund, warum man den ca. 1km langen Weg vom Parkplatz gehen sollte.

Warum eigentlich Madeira?

Während ich dort oben stand und auf die Stadt hinunterguckte fiel mir wieder ein, wie ich überhaupt auf die Idee kam nach Madeira zu reisen. Eigentlich glaube ich immernoch daran, dass hier die Insel selbst ihre Finger im Spiel hatte. Denn von alleine wäre ich wohl nie darauf gekommen, hierher zu fliegen. Ratlos saß ich Anfang Juli im Reisebüro. Mehr aus Spaß, denn im Normalfall buche ich meine Reisen selbst und stelle mir zusammen, was mir gerade in den Kram passt. Diesmal konnte ich mich aber nicht so recht entscheiden, wohin es gehen sollte. Die Preise in die mir bekannten Ländern sprengten mein Budget und so dachte ich mir: Vielleicht haben die Ladies im Reisebüro noch eine ganz andere Idee.

Schlussendlich sah ich ein großes Werbeplakat für Sao Vincente in Madeira, als ich mit der Dame im Reisebüro sowohl Teneriffa als auch Mallorca und Griechenland als zu teuer abgestempelt hatte. Aus Spaß sagte ich: “Da will ich hin – und am besten auch noch zu dem Preis!” Tatsächlich war das Hotel verfügbar und ich sofort Feuer und Flamme. Eigentlich hätte ich sofort und ziemlich spontan gebucht, hätte mir mein Bauchgefühl nicht geraten, noch eine Nacht darüber zu schlafen. Abends schaute ich mir das Hotel dann nochmal genau an und entschied, dass ein so großes Hotel für mich nicht in Frage kommt. Die Idee von Madeira blieb und so stellte ich mir die Reise-Bausteine, ganz typisch für mich, einfach selbst zusammen. Bis jetzt bin ich damit mehr als zufrieden und freue mich jeden Tag darüber, dass ich hier bin.

All diese Gedanken kamen mir als ich auf Sao Vincente hinunter blickte. – Ich musste dort hin und mir dieses Städtchen live ansehen. Immerhin hatte ich mir eines der Highlights von dort eingeprägt.

Der Lava-Tunnel ist jetzt mit Wasser gefüllt

Die Grotten von Sao Vincente und das Vulkanologie-Zentrum

Das Vulkanologie-Zentrum und die Grotten von Sao Vincente waren schnell gefunden. Der Eintritt genauso schnell bezahlt und für 8€ durfte ich einmal zum Mittelpunkt der Erde reisen. Genau! Richtig gehört. Denn nach der Führung durch die Lava-Tunnel konnte man noch ein wenig über die Entstehungsgeschichte Madeiras lernen und zusammen mit den Führungsteilnehmern virtuell bis hinunter zum Erdkern reisen.

Aber ganz von Anfang. Die Führung durch die Lava-Tunnel dauert in etwa eine halbe Stunde. Spannend ist es schon, wenn man sich vorstellt, dass man nun an einer Stelle steht, wo sich vor rund 890 000 Jahren kochend heiße Lava ihren Weg ins Meer gebahnt hat. Dabei kühlt die Oberfläche des Lavastroms relativ schnell ab, während der Strom im Inneren beständig weiter ins Meer fließt. Nach Ende des Vulkanausbruchs versiegt die Lava-Quelle, der Strom reißt ab und zurück bleiben die Lavatunnel, die teilweise bis zu einen Kilometer lang sind und bis zu 5 Meter hoch. Ziemlich faszinierend.

Ähnlich faszinierend war auch die anschließende Reise zum Mittelpunkt der Erde. Mittels Lift-Simulator ging es tief hinab, über Lavaströme bis hin zum Erdkern, bevor wir per 3D Film wieder an die Oberfläche Madeiras reisten. Ich liebe gut gemachte Museen und Ausstellungen. Dieses gehört seit heute mit zu meinen Favoriten.

Die Wellen lassen das Surfen in Sao Vincente zu

Surfen an der Küste von Sao Vincente

Natürlich konnte ich nach diesem Erlebnis die Oberfläche Madeiras gleich ein wenig mehr genießen. Ich fuhr ein Stück aus Sao Vincente hinaus und entdeckte ein eher unaufälliges Schild mit der Aufschrift “Surfer Zone”. Klar, dass ich da anhalten musste. Und so beobachtete ich zwei Surfer dabei, wie sie immer wieder und stetig von den wilden Wellen vom Brett ins Meer geschubbst wurden. Ein tolles Spiel.

Langsam wurde es spät und ich machte mich auf den Rückweg. Natürlich wiederüber den Encumeada Pass. Denn nachdem ich nun ganz nah beim Erdkern gewesen war, wollte ich glatt noch einmal hoch hinaus und die Wolken kitzeln. Doch Überraschung! Die Wolken hatten sich verzogen und das Hochplateau von Paul da Serra lag in strahlendem Sonnenschein vor mir. Traumhaft!

Madeiras Pläne

Obwohl ich bei Beginn des Tages ganz andere Pläne hatte, den Tag eigentlich ruhiger angehen lassen wollte, hat mich Madeira wieder einmal in seinen Bann gezogen. Ich könnte fast sagen, diese Insel macht mit mir, was sie will.

Übrigens, wer noch nie gerochen hat, wie heiße Auto-Bremsen riechen, der ist noch nie vom Hochplateau Paul da Serra mit seinem Panda ins Tal gefahren. Vermutlich kommt der Muskelkater in meinen Beinen doch nicht von der Levada-Wanderung vor zwei Tagen, sondern vom verzweifelten Festkrallen meiner Füße ins Bremspedal. Auweia…

 

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    1 KOMMENTAR

  • Andrea

    Du hast wie immer deinen Artikel richtig toll geschrieben. Ich hatte viel Spaß am Lesen und deinen Bildern, Dankeschön

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