Funchal – Eine Berg- und Talfahrt der Gefühle
Wer zum ersten Mal nach Madeira reist, der wird früher oder später einen Tag oder mehrere in der Funchal verbringen. So auch ich. Zur Halbzeit meines Urlaubs sollte es also die Hauptstadt werden. Doch mit dem Mietwagen nach Funchal zu fahren, funktioniert nicht ohne ein wenig Planung.
Parken in Funchal
Meine größte Sorge: Wo kann man in Funchal parken? Bisher habe ich noch keine Link-Tipps veröffentlicht – das füge ich nach und nach ein, genauso wie Videos. Doch dieser Linktipp muss genau jetzt sein, denn damit geht die Parkplatzsuche in Funchal wirklich kinderleicht. Über Parkopedia findet man sehr einfach alle Parkhäuser in Funchal inklusive deren Öffnungszeiten, Adressen und Preislisten. Langes Suchen ist damit Passé. Und auch die Preise halten sich in Grenzen. Für 5 oder 6 Stunden im Parkhaus habe ich nämlich lediglich 3,20€ im Parkhaus Sao Tiago bezahlt. Ein echtes Schnäppchen und nur zu empfehlen, denn das Parkhaus befindet sich gleich in der Nähe der Rua Santa Maria.
Das Künstler-Viertel in der Altstadt von Funchal – Zona Velha
Unterwegs vom Parkhaus in die Altstadt kam ich so schon in den Genuss einiger Attraktionen von Funchal. Ich wanderte am Fortaleza de Santiago vorbei, einer alten Festung direkt am Meer, schlenderte an der Kirche von Socorro entlang und lies mich durch die kleinen Gassen treiben. Hin und wieder blieb ich an einer der schön bemalten Türen stehen und bewunderte die kunstvollen Verzierungen. Von bekannten Motiven, wie dem kleinen Prinzen bis hin zu Fantasiegemälden und Blumen-Ornamenten ist hier alles dabei. Ein kleiner Bummel durch die schmale Straße lohnt sich! Leider konnte ich nicht immer so lange wie ich wollte stehenbleiben und fotografieren, denn die Rua Santa Maria ist gepickt von kleinen Restaurants. Dicht an dicht stehen dort Tische und Stühle und Kellner sind auf Beutefang. Die vermeintliche Beute: Ich. Doch mir stand der Sinn nach Abenteuer.
Mercado dos Lavradores – Der Markt von Funchal
Wo Stadtmärkte sind, bin normalerweise auch ich recht schnell zu finden. So war schnell klar, wohin mich mein Weg aus der Rua Santa Maria führen würde: Ich wollte zum Markt von Funchal. Denn dort sollte es nicht nur viel Obst und Gemüse geben, sondern auch eine große Fischhalle. Die roch ich bereits beim Betreten des Marktes. Doch ich hatte Pech. Ich war viel zu spät nach Funchal aufgebrochen und so war es bereits kurz vor Mittag als ich die fast leere Halle betrat. Selbst schuld dachte. Dennoch erfreute ich mich an den wenigen Händlern, die mit gekonnten Handgriffen in nur wenigen Minuten monströse Fische zerlegen können.
In der Innenhalle und im oberen Teil des Marktes findet man Blumen, Obst, Gemüse und Gewürze. Die getrockneten Kräuterbüschel verströmten einen angenehm würzigen Geruch. Am liebsten wäre ich in diesem Geruch abgetaucht.
Doch auch hier bot sich mir das selbe Bild wie in der Rua Santa Maria. Die Händler konzentrierten sich darauf, vorbeilaufenden Touristen ihre Ware aufzudrängen. Für mich machte das den Charme des Marktes kaputt und ich flüchtete mich bald in ein Café im Innenhof, das Ruhe und Gelassenheit ausstrahlte. Die beste Entscheidung. Denn dort konnte ich etwas entspannen und Kraft für den Tag sammeln. Bei einem schönen Cappucino und einem Stückchen Mandel-Kuchen lässt es sich viel besser aushalten.
Kräfte sammeln in der Confeitaria
Auch wenn es sich bei der Confeitaria um eine kleine Café-Kette handelt, fühlte ich mich dort sofort wohl. Die Bedienung hatte einen wachen und offenen Blick und so konnte ich sogar ein wenig Smalltalk halten. Ich fragte sie nach dem typisch madeirianische Fladenbrot Bola do Caco, von dem ich gehört hatte und erfuhr, dass es gleich in der Nähe Bäckereien gibt, die diese Brotsorte verkaufen.
Bola do Caco
Also nichts wie los: Ich wollte Bola do Caco kaufen. Der Lonley Planet Reiseführer empfahl eine kleine Bäckerrei auf der gegenüberliegenden Seite des Marktes. Im Pau da Canela kaufte ich also ein kleines Bola do Caco, das ich genüsslich mit ein wenig Pesto und Tomaten später zum Abendessen aß. Und ja: Auch ich bin jetzt aufs Brot gekommen und ärgere mich fast ein wenig, dass ich nur ein Kleines mitgenommen habe. Zum Glück bin ich noch einige Tage hier und komme sicher nochmal in den Genuss dieser Spezialität.
Hoch hinaus mit der Seilbahn von Funchal zum Monte
Mit Kaffee und Kuchen gestärkt, den ersten Shopping-Erfolg verbucht und gut gelaunt wollte ich nun hoch hinaus. Eine der Hauptattraktionen in Funchal ist die Seilbahn, mit der man für 16€ sowohl auf den Berg Monte fahren kann, als auch wieder hinab. Das Ticket zog ich mir problemlos am Ticket-Automaten, denn ich wollte nicht an der langen Schlange vor dem Schalter warten. Also rein in die Gondel und los ging die Fahrt. 15 Minuten lang konnte ich die fantastische Aussicht genießen und Funchal von einer ganz anderen Seite kennenlernen.
Bergfahrt der Gefühle
Zugegeben, da überkam mich schon ein kleines Hochgefühl und ich hatte etwas “Pipi” in den Augen, als ich da in meiner Gondel soweit oben saß und auf die Stadt hinunter blickte. Wahrscheinlich war es ein Anflug von Gefühlsduseligkeit, Dankbarkeit und abfallendem Blutzuckerspiegel (der Kuchen hatte sein Nötiges getan) oder eine Mischung aus allem, die mich so reagieren lies. Aber etwas Wahres ist da schon dran! Dass ich all das in meinem Leben sehen und erleben darf – womit habe ich das eigentlich verdient? Es ist wunderbar!
Ankunft auf dem Monte
Nach diesem Hochgefühl kam ich relativ schnell wieder in der Realität an. Nämlich als mir die Dame am Ausgang der Seilbahn auf dem Monte teilnahmslos ein Foto von mir in der Seilbahn-Gondel unter die Nase hielt und mir für 10€ verkaufen wollte. Da wusste ich wieder den realistischen Grund, womit ich all das verdient hatte: Mit Geld – und nichts anderem.
Ich ärgerte mich. Zum vermehrten Male fiel mir die touristische Geschäftstüchtigkeit negativ auf und ich hatte Mühe, meine positive Grundstimmung wieder zu erlangen.
Es war der Berg Monte, der mir dabei half das negative Gefühl abzuschütteln. Denn nach einem kurzen Fußweg erhob sich vor mir die Kirche Nossa Senhora do Monte gegen den strahlend blauen Himmel und – man möge mir den Vergleich verzeihen – ich spürte sofort eine ähnliche Faszination wie beim Aufstieg zu La Sacre Coeur in Paris, als ich die Stufen zur Kirche betrat.
Nossa Senhora do Monte
Die Ruhe in der Kirche selbst taten jetzt gut und so blieb ich einige Minuten sitzen, bevor ich Kaiser Karl I. einen kleinen Besuch abstattete und eine Kerze anzündete. Das mache ich übrigens fast immer, wenn ich auf Reisen bin. Auch wenn ich nicht gläubig bin, unterstütze ich gerne mit einer kleinen Münze den Erhalt dieser Orte und bitte gleichzeitig für Glück auf der Reise. Außerdem mag ich die Vorstellung, dass in einer Kirche immer eine Kerze leuchtet und mein Licht dazu beitragen kann, dass die Flamme nie erlischt.
Ich winkte Kaiser Karl I. zu und verließ das Kirchenschiff, um über die enge Treppe nach oben zu den Türmen zu steigen. Von dort oben hat man nicht nur eine wundervolle Aussicht auf Funchal und das Meer, sondern kann auch ganz ungestört die Carreiros do Monte beobachten. Die weiß gekleideten Männer sind berühmt für ihre wilde Korbschlitten-Fahrt vom Berg Monte hinab ins Tal.
Doch bevor ich mir das Spektakel genauer ansah, machte ich noch einen kleinen Spaziergang durch den Park rund um die Kirche. Das finde ich wirklich empfehlenswert, denn die Hortensien und Liebesblumen wachsen dort dicht an dicht und verleihen dem Ort ein zauberhaftes Flair. Wer also, so wie ich, gerne den touristisch überlaufenden tropischen Garten auf dem Berg links liegen lassen möchte, findet hier ein magisches Fleckchen zum Verweilen.
Die Carreiros do Monte – Mit dem Korbschlitten ins Tal
Folgt man den Wegen des kleinen Parks erreicht man zwangsläufig irgendwann die Straße ins Tal. Dort begegnet man auch dem ein oder anderem Korbschlitten auf seinem Weg hinunter. Zugegeben, das sieht wirklich nach Spaß aus. Wenn auch nach Spaß mit Risiko. Denn die Straße wird nicht ausschließlich von den Carreiros benutzt, auch Autos rauschen dort hinab. Doch die weiß gekleideten Männer wissen genau, was sie tun und so hatte ich das Gefühl, dass ihnen die Talfahrt teilweise mehr Spaß macht als den Korb-Insassen. Mein Tipp also: Unbedingt die Kamera bereit halten und die wilde Schlittenfahrt inklusive der verzerrten Gesichter festhalten.
Ich hatte mein Ticket für die Talfahrt mit der Seilbahn bereist gelöst und kehrte bald schon ans Meer zurück. Denn dort wollte ich nach einigen Mitbringseln für die Lieben zuhause schauen. Doch ich kann es bereits vorwegnehmen: Ich fand nichts. In jedem der Läden entdeckte ich nur standardisiertes Touri-Zeug. Angefangen vom Aschenbecher über Kühlschrankmagnete und Taschen mit großem Madeira-Aufdruck. Ich war ernüchtert. Das konnte doch nicht sein? War Funchal wirklich nur auf Tourismus aus? Wo ist das echte Leben?
Meine Stimmung rauschte, wie ich vorher mit der Seilbahn, ins Tal. Ich schlenderte noch ein wenig durch die Stadt und erreichte eher ungeplant die Kathedrale von Funchal.
Sé – Die Kathedrale von Funchal
Ich betrat sie und setzte mich auf einen der schön verzierten Holzstühle. Dann gab ich meinen Augen einige Minuten, um sich an die Dunkelheit im Kirchenschiff zu gewöhnen. Erst dann entdeckte ich die feinen Details der Zedernholzdecke und die zarten Intarsien. Auch die Verzierungen des Altars wurden jetzt wesentlich deutlicher sichtbar. Zufällig bekam ich ein Gespräch mit, in dem eine Frau sich darüber ausließ, dass diese Kathedrale ja kein Vergleich zu denen in Rom sei. Die Frau hatte vermutlich einfach nicht die Schönheit der einzelnen Details in dieser Kirche und die Besonderheit der kunstvollen Holzverzierungen bemerkt. Ich ärgerte mich, spendierte ihr aber eine Runde Mitleid.
Nach diesem Kommentar, spätestens aber nachdem ich eine Frau im kurzen Mini-Strand-Kleid durch die Kathedrale laufen sah, brodelte in mir der Ärger und ich erinnerte mich, dass in anderen Kulturen Gotteshäuser, egal ob Kirchen, Moscheen, Synagogen oder Tempel, mit viel mehr Respekt behandelt werden. Das vermisse ich bei den europäischen Kirchen wirklich sehr.
Ich frage mich wirklich, wo denn der Anstand und Respekt einiger Touristen geblieben ist. Kein Wunder, dass auch die Madeirianer hier in Funchal auf Tourismus und Verkauf gepolt sind, bei soviel Respektlosigkeit der Besucher.
Mit Ärger im Bauch entschied ich, Funchal zu verlassen und den Menschenmengen und Touristen wieder den Rücken zu kehren. Da ist mir die unberührte Natur doch um einiges lieber. Auf dem Heimweg kam mir der Gedanke, dass Funchal für mich tatsächlich eine Berg- und Talfahrt war. Und zwar nicht nur mit der Seilbahn, sondern auch meiner Gefühle. Von Hochstimmung bis hin zur Verärgerung war in dieser Stadt wirklich alles dabei…
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2 KOMMENTARE
Die Kreuzfahrtschiffe, mit den vielen Tagestouristen, sorgen für diese Merkwürdigkeiten. Die Leute wollen einfach nur schnell alles erleben und haben keine Zeit für das Entdecken eines Ortes. Die Menschen reagieren darauf entsprechend.
Hallo Patrick,
ja, das erklärt natürlich einiges. Bei meinem Besuch in Funchal lag tatsächlich ein Kreuzfahrtschiff im Hafen. Vielleicht ist es dort ruhiger und angenehmer, wenn nicht gerade einer dieser riesigen Dampfer anlegt.
Herzliche Grüße, Claudia